von Werner Kremer
 
Ein gebildeter wohlhabender »Engländer« bereiste 1857 zum zweiten Mal mit seinen Freunden den Rhein (Jean-Babtiste de Bethune, u. a.) um nach »gotischer Substanz« zu suchen, um dadurch ihre »innere neugotische Einstellung« zu bekräftigen. Ein Hinweis, oder auch in Begleitung, des Mainzer Prälaten Friedrich SCHNEIDER führte ihn nach Kiedrich, und er fand eine unbeschädigte und reich ausgestattete gotische Kirche mit einem Chor, der noch, mehr schlecht als recht, »gregorianisch« sang. Seine Zuneigung zu diesem Gotteshaus mit einer alten defekten Orgel, den alten Glocken und dem Choral muss außerordentlich gewesen sein. Die arme Kiedricher Bevölkerung mit ihrem zuerst skeptischen Pfarrer Zimmermann öffneten ihm die Möglichkeiten zu seinem weiteren HanJohn Suttondeln.
 
Die St. Michaelskapelle war gerade vom Wiesbadener Kunstverein vor dem Abriss gerettet worden. SUTTON unterstützte diese Maßnahme sehr und stiftete für Kiedrich als erste große Tat die Fenster im Chörlein und die Reparatur der teilweise bis ins 15. Jh. zurückgehenden Fenster.
 
Die Kiedricher Orgel war seine nächste Großtat. Er erkannte den Wert der alten fast nicht mehr zu gebrauchenden Orgel, ließ diese von Orgelbauer Louis Benoit HOOGHUYS demontieren und die wichtigsten Teile (z. B. die Hauptwerkwindlade, u.a.) in Brügge reparieren.
Die wichtigste und richtige Entscheidung war hier die Reparatur und nicht ein Neubau und somit der Erhalt der Orgel mit hohem Bauanteil aus der Zeit kurz nach 1500. Das sind etwa 80 % des Pfeifenbestands, die Hauptwerkwindlade (Luftkasten von dem den Pfeifen die Luft zugeführt wird), u. a.
 
Der Chorgesang wurde durch die Chorstiftung vom 24. Dezember 1865 einer fundamentalen Rettung zugeführt. Hauptamtliche Chorregenten führen ab sofort die »Chorbuben«.
Neudrucke und der Kauf zweier auf dem freien Markt erhältlichen Codices sicherten die Rückführung der »Mainzer-Gregorianischen Chormelodien«.
Diese Codices stammen eindeutig aus dem Mainzer Dom vor 1300, jetzt der Kiedricher Codex A, und aus dem Erfurter Dom von 1500, jetzt Kiedricher Codex B. Die Chorsänger Josef STAAB und Bruno KRIESEL konnten auf hervorragende Weise diese beiden Codices nutzen um die komplette »Kiedricher Gregorianik« im Gesang und in Schrift wiederherzustellen.
(Siehe Ausführungen von Dr. h.c. Josef STAAB, Bruno KRIESEL und Walter URBAN.)
Sir John SUTTON wurde am 18.10.1820 in Sudbrooke Holm/Linconshire geboren, verstarb plötzlich am 05.06.1873 in Brügge, St. Kruis, und ist in der Familiengruft von Bonne beigesetzt worden. Die zweite Beisetzung fand am 02.11.1974 in Kiedrich feierlich statt.
(Weiterführende Informationen zu SUTTON in »Kiedricher Persönlichkeiten aus sieben Jahrhunderten«.  Seite: 233 bis 249 und 364 bis 379.)